Pierres Blog

Was mich bewegt, interessiert und mir Spass macht …

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Von 0 auf 200 in 4 Sekunden

Fallschirmgumpe

Freeeeeeeeefall zum Zweiten. Wir taten es wieder. Nicht das ich behaupten möchte dass beim zweiten Mal schon Routine einkehrt, aber die nervöse Phase war doch deutlich kürzer. Beim diesjährigen Himmelhüpfen dominierte der Eggenberger Clan deutlich. Sechs von sieben wagten schliesslich den Schritt ins Leere, 4000 Meter über der Magadino-Ebene. Silvia, dürften wir nun auch genug angefixt haben, dass sie sich im nächsten Jahr auch ihr Portiönchen Adrenalin durch den Körper pumpen lässt. Da bin ich mir sicher, gell Silvie? ;-)

Flying Bamboos
Für Gucker, wie immer hier schon mal die Bilder bei Flickr.

Im Vergleich zum letzten Jahr, meinem ersten Tandemsprung, waren die Verhältnisse dieses Jahr perfekt. Bei strahlendem Spätsommerwetter trafen wir direkt von Zürich, um die Mittagszeit im Para Centro ein. Die St. Galler Fraktion erwartete uns schon. Alle unserer Gruppe waren schon mal gesprungen: Barbara unser Routinier tat es schon zum vierten fünften Mal (wow, das sind ja schon über 3 Minuten Freifall), Jacqueline sprang auch schon zweimal. Auch Daddy Jürg und Bruder Simon waren keine Neulinge und Lukas hat sogar schon mal einen Alleinsprung gewagt. Also, zu den Pappnasen kann man uns wirklich nicht mehr zählen. Man kennt das Prozedere. Zettelchen ausfüllen, Kohle abdrücken und ab zum 500 Meter Lauf, rein in die blau-roten Overalls und ganz wichtig – Bauch einziehn, weil der sieht darin wirklich Scheisse aus. Die Teile sind ziemlich körperbetont. Danach setzt man sich unter einen schattigen Baum und passt nochmal brav auf, wie das ganze Prozedere abläuft. Auf Fotos werden die verschiedenen Phasen erklärt, danach gehts noch schnell zum Dehnen auf die schwarze Gummimatte. Nö, Mist, hier wird nochmal gecheckt, dass man in der Luft die richtige Haltung hat und der Tandemmaster korrigiert bei den meisten nochmal ein bisschen an der Armstellung die man im freien Fall einnehmen sollte.

Unsere Gruppe ist zu gross. Es können jeweils nur 4 miteinander springen und so teilen wir uns auf. Ich setz mich mit Lukas zu den Mädels in die erste Maschine. Jeder setzt sich vor seinen Master of Desaster und wird von ihm dann gleich an sich geschnallt. Erst noch recht locker, aber nach dem letzten Check kurz vor dem Ausstieg wird man richtig fest an seinen Hintermann gezurrt. Die Maschine startet Richtung See, fliegt eine Rechtskehre übers Maggiatal zurück nach Bellinzona. Die Aussicht ist phantastisch. Bei Bellinzona wird nochmal gewendet und über dem Para Centro sind wir dann auf knapp 4000 Meter. Lukas geht als erster. Keck im Rückwärtssalto, danach bin ich an der Reihe. Ich habe beim Steigflug Sacha erzählt, dass ich das letzte Mal im freien Fall nicht schnaufen konnte. Er gibt mir Tipps und die nehm ich mir wirklich zu Herzen, da die Atemnot beim letzten Sprung mein grösster Stressfaktor war und ich den freien Fall nicht wirklich geniessen konnte. Also einfach Luft rausdrücken und schreien! Dann gehts plötzlich ganz schnell. Lukas ist schon weg und Sacha schiebt mich zur offenen Türe. Ich lasse brav meine Beine baumeln und warte auf sein Kommando. «Alles ok?» fragt er und ich bejahe, denke nochmal kurz, was für ein Arsch ich eigentlich bin und was ich überhaupt hier 4000 Meter über dem Boden in einer offenen Flugzeugtüre verloren haaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa …

… Luft! Pressen! Schreien! Ich falle. Es klappt! Ich atme! Geil.

Sacha hat mir auf dem Steigflug noch erkärt dass man eigentlich nur während knapp 4 Sekunden das Gefühl des Fallens hat. Das ist die Zeit der Beschleunigung, danach ist dieses Feeling weg und man liegt wie auf einem Luftkissen. Ich habs ja schon mal gemacht, aber richtig bewusst war mir das nicht, aber es stimmt. Ich geniesse den Flug. Jede Sekunde kostet zwar einen Stutz (wenn man die 40 Sekunden Freifall rechnet), aber da denke ich in diesem Moment natürlich nicht dran. Ich bin begeistert. Ich atme, relativ locker, hab Zeit zum rumschauen. Sacha dreht ein paar Kreise mit mir. Das Feeling ist unglaublich. Ich hab keine Ahnung ob ich überhaupt schreien kann, die Luftgeräusche bei 200 sind extrem, der Luftwiderstand ist auch nicht ohne. Und falls das mit dem schreien überhaupt geht, fliegt man dem Schall je eh davon. Die 40 Sekunden sind nach 10 Sekunden vorbei! Scheisse, schon tippt mir Sacha auf die Schulter und der Flug wird rapide gestoppt. Ruhe. Glücksgefühle. Die Welt ist schön. Man kann wieder sprechen miteinander. Ich möchte noch ein paar Kreisel fliegen und bitte Sacha darum. Hossa, da geht die Post gleich nochmal ab. Dreimal linksrum, dreimal Rechtsrum. Er gibt mir die Steuergurte in die Hand. Scheint ganz easy zu sein. Zieh ich links, gehts nach links, zieh ich rechts drehts nach rechts. Zieh ich fester, gehts Richtung Schwindelgefühl oder trümmliges Kettenkarrusell. Den Flug am Schirm geniesse ich genauso wie den freien Fall. Es sind zwei ganz unterschiedliche Welten, das eine ist Action, Lärm, Adrenalin, das zweite Genuss in absoluter Stille, ruhige Bewegungen, schweben. Ausser dass man wie eine alte Birne ziemlich dämlich an einem Männchen vornedran hängt ist alles ok. Der Landeanflug versibbert Sacha ein bisschen. Wir kommen zu steil und zu schnell runter. Ich schaffs nicht zu laufen und knicke grad ein und falle um. Aber easy, nix passiert.
Nachdem Jürg und Simon mit der nächsten Staffel hoch sind und ihre Hüpfer auch noch absolviert haben, belohnen uns die Mädels mit eisgekühltem Prosecco. Wir bleiben noch ein ganzes Weilchen im Centro und beobachten den regen Betrieb. Die Maschinen fliegen nonstop. Gegen Fünf verabschiedet sich Simon dann leider schon wieder von uns. Ein echter «Hopp sanggalllä«-Fan muss Prioritäten setzen und seine Jungs im Espenmoos unterstützen. Ich verstehs – irgendwie *lach* und heute kann ich sagen, es hat sich gelohnt. Er hat St. Gallen zum Sieg geführt (1:0 gegen Luzern), also ist das frühe Abtreten entschuldigt ;-)

Wir verlassen das Centro auch und besuchen unseren Vodoogott Gregi, den Hotelier des Bamboohouse. Leider hat er dieses Jahr das Haus mit einer geschlossenen Geschellschaft völlig ausgebucht und die Reservationsbemühungen von Barbara mit bekannt kurzem Mail beantwortet und abgesagt. Heikle Szene, sein Resti macht gemäss einem Anschlag wegen seiner Gesellschaft um 5 zu, aber unser Bambookönig lässt Gnade walten und wir bekommen sogar zum verdienten Bier noch ein leckeres Tessinerplättli. Keine Bange. Nächstes Jahr klopfen wir wieder an. Ich bin mir da ganz sicher. Den lassen wir nicht einfach so davon kommen.

Der Rest des Weekends ist dann schnell erklärt. Lukas hat uns in der Pensione Müller in Locarno Monti dann drei Doppelzimmer reserviert. Ein schmuckes, einfaches, kleines Hotel mit einer phantastischen Aussicht auf Locarno, den See und die Berge. Zum Znacht gehts wieder wie letztes Jahr ins Grotto nach Ascona und nach einem Absacker in der Piraten Bar unten an der Promenade, leicht schwankend zurück ins Hotel. Jürg und Silvia bekommen die Gartenlaube, ein Kämmerchen mit klitzekleinem Fenster. Ich finds noch irgendwie romantisch, aber ist wohl stickig heiss, so dass die beiden bei offener Tür schlafen müssen. Vor diesem Privat-Gemach sitzen wir noch 2 Stunden unter den Kiwis am Steintisch und geniessen die laue Nacht.

Am Sonntag schaffens Barbara und ich grade noch zum Frühstück. Obwohl schon ne halbe Stunde drüber, dürfen wir noch von allem naschen und kriegen auch noch «gut warmen» Kaffee. Der letzte Abend war ziemlich anstrengend und so beschliessen wir alle, dass wir den Sonntag ruhig und relaxed am See verbringen. Herrlich! Ich liebe solche Tage. Alle leicht ermattet und müde. Wir fläzen am See rum bis gegen sieben und machen uns dann schweren Herzens wieder auf den Heimweg. Ein Traumweekend. Ich freu mich schon aufs nächste Jahr. Danke fürs organisieren, Babs und merci fürs fahren, Jackie. Und überhaupt, danke euch allen! Ich geh jetzt schlafen.