Pierres Blog

Was mich bewegt, interessiert und mir Spass macht …

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TGIFreifall

Liebe Harrende und Dürstende!

Ich muss gesenkter Augenlider gestehen: trotz monatelangem Stillschweigen aus der TGIF-Ecke hat sich bei mir nicht unbedingt ein Themenquell überschäumenden Ausmasses angesammelt, nein, gegenteiligerweise raucht mir schon zum jetzigen Zeitpunkt zwecks Inhaltsfindung dieses lange erwarteten Textes der Schädel.

Zwar wäre einmal mehr die ehrenvolle Verabschiedung des Herbstes, wahlweise ein Loblied auf «meinen» September angebracht, andererseits beginnt in Bälde wieder das jährliche Chaos im östlichen Zipfel der Schweiz, auch «OLMA» genannt. Da ihr Euch jedoch alle schon seit geraumer Zeit zu geduldigen Freitags-Lesern zählen dürft, habt ihr diese Themata selbstredend bereits und immer noch intus, weshalb ich zwei Wochen in die Vergangenheit zurückkrebse und mich – zur eigenen Verabeitung und nicht zuletzt aufgrund uneigennütziger PR-Gründe – dem freiwilligen Sprung aus dem Flugzeug widmen möchte.

Mal sehen, was mein heissgeliebter online-Dix dazu auzuspucken hat, hört und staunt:

«Fallschirmspringen bezeichnet die Gesamtheit von Absprung, anschließendem Fall bzw. Flug und abschließender Landung einer (Hä?) Person aus einer so erhöhten Position (meist aus Luftfahrzeugen), dass ohne die Benutzung eines Fallschirms das Auftreffen am Boden Verletzung oder Tod zur Folge hätte.» Soweit so logisch und bekannt, aber danke für die imaginationellen Ausführungen!

Weiter im Text:

«Der Fallschirm dient dabei dem Erreichen einer verträglichen (!!) Sinkgeschwindigkeit zum Zeitpunkt der Landung. Die Verzögerungswirkung des Fallschirms kann entweder unmittelbar beim Absprung oder auch erst zu einem späteren Zeitpunkt während des Falles aktiviert werden, erfordert zur sicheren Nutzung jedoch eine gewisse Mindesthöhe respektive Mindestzeit.

Für das sportliche Fallschirmspringen hat sich weitgehend auch der englische Begriff Skydiving eingebürgert. Zum Teil dient der Fallschirm dabei nur noch (aber immerhin !!!!, Anmerkung der Redaktion) der verletzungsfreien Landung, und der sportliche Schwerpunkt liegt auf dem noch verzögerungslos (!!!) ausgeführten Fall bzw. Flug vor Öffnung des Fallschirms, der auch als Freier Fall bezeichnet wird.» Blablablabla.

Wer kam denn eigentlich auf diese hirnrissige widernatürliche Sprungidee??

Historisches:

In China – wo denn sonst? – sprangen schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts wagemutige Zirkusartisten mit einer Art Sonnenschirm von hohen Türmen. Man kann sie deshalb als die ersten Fallschirmspringer überhaupt bezeichnen.

1483 fertige Leonardo Da Vinci eine Skizze von einem pyramidenförmigen Fallschirm an. Seine Randbemerkung lautete: «Wenn ein Mann mit beschichtetem Leintuch von einer Länge von 12 Iardas auf jeder Seite und 12 Iarda hoch versehen ist, so kann er aus jeglicher großen Höhe springen, ohne Verletzung.» Heute würd man dieses Hirni mit Haftungs- und Schadenersatzklagen nur so überhäufen.

Der Kroate Faust Vrancic gilt als der erste Mensch, der erfolgreich einen Fallschirm ersann, baute und erprobte: Im Jahr 1617 sprang er vor zahlreichen Zuschauern mit einem 6×6 m stoffbespannten Holzrahmen vom Glockenturm des 86 m hohen St. Martinsdoms in Bratislava. Später widerholte er seine Sprünge unter anderem auch in Venedig.

Der Franzose André-Jaques Garnerin (1769-1823) sprang am 22. Oktober 1797 aus einem ca. 400 m hoch fliegenden, mit Wasserstoff gefüllten Ballon über Paris ab.

Als eine der ersten Fallschirmspringerinnen gilt die deutsche Luftakrobatin Käthe Paulus (1868-1935). Sie war zugleich auch die erste deutsche Berufsluftschifferin und die Erfinderin des zusammenlegbaren Fallschirms.

Einige Legenden:

Falsche Ansichten über das Fallschirmspringen werden insbesondere durch Spielfilme und Medienberichte verbreitet, die die Sportart dramatischer oder «verrückter» darstellen wollen, als sie in Wirklichkeit ist. Dabei werden auch häufig physikalische Gegebenheiten außer Acht gelassen. Einige der häufigsten Irrtümer:

Ein Fallschirmspringer wird durch das Öffnen des Schirms nicht wieder nach oben gezogen. Filmaufnahmen, die solch einen Eindruck erwecken, entstehen dadurch, dass der gefilmte Springer durch die Schirmöffnung stark abgebremst wird, während der Kameramann mit gleich bleibender Geschwindigkeit weiter fällt. (Öffnet der Kameramann seinen Fallschirm zuerst, sieht es umgekehrt so aus, als ob der Fall des gefilmten Springers plötzlich stark beschleunigt wird.)

Eine Unterhaltung im freien Fall ist nur unter besonderen Umständen möglich. Bei einer Freifallgeschwindigkeit von etwa 200 km/h ist das Windgeräusch normalerweise so laut, dass alles andere übertönt wird. Für eine Verständigung müsste daher entweder ein Springer dem anderen aus nächster Nähe ins Ohr schreien, oder beide benutzen geschlossene Helme mit Funkverbindung.

Nur ganz wenige Naturtalente können bereits bei den ersten Fallschirmsprüngen ihres Lebens sofort eine saubere und stabile Freifallhaltung einnehmen, ohne auf fremde Hilfe (z. B. mitspringende Ausbilder) angewiesen zu sein. Aber selbst für solche Ausnahmeathleten sind Freifallformationen, Skysurfing usw. erst durch entsprechendes umfangreiches Training möglich.

Bei einer Absprunghöhe von 4.000 m über Grund dauert der freie Fall etwas mehr als 60 Sekunden. Filmszenen, bei denen die Freifalldauer mehrere Minuten beträgt, sind aus Aufnahmen mehrerer Sprünge zusammengeschnitten. Unter realen Bedingungen wäre ein mehrminütiger freier Fall nur aus einer so großen Absprunghöhe möglich, dass die Springer einen aufwändigen Kälteschutz und eine eigene Sauerstoffversorgung bräuchten.

Es ist zwar möglich, einer aus einem Flugzeug gefallenen Person innerhalb einiger Sekunden hinterherzuspringen und sie im freien Fall einzuholen. Die anschließend während der Schirmöffnung auftretenden Kräfte und Belastungen wären jedoch für ein Festhalten mit reiner Muskelkraft zu groß. Falls im freien Fall keine direkte mechanische Verbindung zum Schirmgurtzeug hergestellt werden kann, würde diese Person also beim Öffnen des Schirms wieder losgerissen.

Jetzt ist aber genug, zur Verinnerlichung dieses doch eher theoretischen Gesülzes verweise ich auf folgenden Blogeintrag, wo Ihr uns in zugegebenermassen nicht eben vorteilhafter, jedoch umso traditionellerer tessiner Flugtracht bestaunen könnt. Mit Kommentaren sei nicht zu sparen! Schade nur, dass die Vertonung fehlt, Zellis Schrei bei der eleganten Rolle über die Flugzeugkante, Jackys Mezzosopran in 10 Höhenmetern vor der Landung oder Sy’s Stimmbruchstimme 10 Sekunden nach der Landung waren und sind Ohrenwürmer der Extraklasse mit Gütesiegel!

Deshalb: an alle, die in den vergangenen Jahren gekniffen haben, plötzlich bereits verplant oder auf wundersame Weise nicht mehr erreichbar waren: Fasst Euch ein Herz, fangt an zu sparen und trainiert schon mal die Atmung bei 200 km/h. See you next year in Ticino!!!

Eure
Bamboobara Gliding