Pierres Blog

Was mich bewegt, interessiert und mir Spass macht …

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Appezöll, mini nö Liebi!

einstieg

Dass das Appenzellerland und der Alpstein schön ist wusste ich schon. Dass ich mich bei meinem ersten Besuch aber gleich so in diese Gegend verlieben würde, konnte ich nicht voraussehen. Die Häuser sind hier oft gelb… oder auch mal lieblich blau. Viele davon riesengross und mit unendlich vielen Fenstern versehen. Wer was auf sich hält malt Bilder oder Ornamente auf die Fassade, wer noch mehr von sich hält macht gleich eine Beiz aus dem Haus. Die Leute sprechen nicht mehr Schweizerdeutsch, sondern irgend ne ö-Sprache, die lustig klingt. «Ja geen», heisst ja gerne, «nebbis» heisst glaub ich etwas und den Rest konnt ich mir nicht merken. Die Beizendichte übersteigt hier die Bevölkerungszahl und die Berge die im Süden die lieblichen Hügel des Vorlandes überragen sind nicht von schlechten Eltern. Hier weiss man wie man Käse macht, hier weiss man wie man Biberli macht, hier weiss man wie Magenbrot macht und hier weiss man wie man Schweizer Clichés lebt und die Volklore noch im Herzen trägt. Musig spielen die Appenzeller auf einem Klavier, dass sie sich auf den Schoss legen und weil wohl die Konstruktion mit den Tasten zu aufwändig war, klöppeln sie mit kleinen Filzhämmerchen auf den Saiten rum.

Ich wollte schon ein ganzes Weilchen dieses abgelegene Fleckchen Schweiz besuchen, das ja gar nicht soo weit von Zürich weg ist, aber ein paar Hügel dazwischen riegeln das Gebiet vor dem Direkt-Ausflügerstrom aus dem Zürcher Flachland gut ab. Das ist ok, denn das dürfte auch der Grund sein, dass der Alpstein so schmuck und urtümlich geblieben ist wie er ist. Gut, vielleicht hats auch mit der Sprache zu tun ;-)

Als ich morgens um Zehn auf den Parkplatz vor dem Städtchen fahre, bin ich ganz überrascht, dass alle Plätze belegt sind. Ein Blick auf die Nummerschilder der Autos verrät, dass da gar nicht sooo viele Auswärtige sind. AI’s, AR’s und SG’s sind klar in der Überzahl. Eine letzte Lücke finde ich dann doch noch und so wuchte ich mein Velo vom Autodach und fahr mal hoch zum Landgsgemeindeplatz. Hochbetrieb! Die Beizen die den Platz säumen sind alle gut besetzt, die Leute geniessen den vielleicht letzten schönen Sommertag draussen auf der Terrasse. Auf dem Platz spielt eine Blaskapelle irgend einen «poppigen» Marsch. Kenn mich da nicht so aus, erinnert mich in der Art aber an diesen Classic goes Rock Müll, hier isses halt Pop goes Blasmüsig. Spielt aber keine Rolle, denn hier passts irgendwie ganz gut. Ich schau mir nach diesem ersten Augenschein das Städtchen an und überlege mir, eine Konditorenausbildung zu machen, denn hier steht ungefähr alle 100 Meter eine Konditorei, meist mit, aber amigs auch ohne angeschlossenes Café. Die Strassen sind ratzvoll. Viele Geschäfte geöffnet, nur gibts in all den Konditoreien nix zu trinken zu kaufen. Da’s noch nicht so brennt geh ich halt ohne weiter, schnüffle bisschen da und bisschen dort noch nach ein paar Caches, bestaune das lustige Signer-Tisch-Kunstwerk hinter der Kirche, welches sich alle paar Minuten durch einen starken Wasserstrahl getrieben vom Boden hebt und geniesse die milde Spätsommersonne. Die Häuschen hier in der Stadt sind pitoresk, wunderbar herausgeputzt. Einfach schön kitschig, puppenstubenmässig. Vielleicht sind es auch die äusseren Bedinungen, die mich so vereinnahmen. Ich bin absolut begeistert von diesem Flecken Schweiz.
herbstzeitlose
Nach dem Stadtrundgang gehts dann mit dem Velo in die Aglo von Appenzell. Gut, die fängt eigentlich am Ende der Hauptstrasse durch die Altstadt, oder gleich hinter der Brücke über die Sitter an, also nur ein Steinwurf von den unendlich vielen Beizen und dutzenden Bäckereien. Die Landschaft ist einfach fantastisch, die mächtigen Kalksteinberge des Alpsteins begrenzen das Gebiet gen Süden mit ihren schroffen Kalksteinwänden eindrücklich. Der Hohe Kasten thront im Osten als Absschluss der Alpsteinkette (gehört der überhaupt noch dazu?). Danach werden die Hügel sanft und sanfter, grün und grüner. Zwischendurch erhascht man auch mal einen Blick auf den Säntis. Geocache sei Dank, radle ich natürlich nicht nur den Hauptstrassen entlang sondern erkunde ein paar Plätzchen und Aussichtsspunkte bisschen neben dran. Besuche ein paar schmucke Kapellen und das Naturschutzgebiet Haslersteg bei Weissbad. Hier blühen bereits hunderte von Herbstzeitlosen. Find ich immer wieder komisch, dass im Frühling und Herbst Blumen blühen die fast identisch sind, mit dem Unterschied, dass die einen den Frühling ankünden, die anderen den Herbst.

Ich radle noch weiter und möchte gerne noch zum Seealpsee. Natürlich rennt mir mal wieder die Zeit davon, denn die Cacherei ist ist auch eine Zeitvernichtungsmaschine, besonders wenn man sich immer mal wieder irgendwo verrechnet, was falsch interpretiert und der «Stieregrind» es einfach nicht zulässt, ohne die gefundene Büx weiterzuziehn. Aber das hat sicher mit dem Klima hier, oder ganz allgemein mit dieser Gegend zu tun. Ich glaub ich würd da ganz gut hinpassen. Man sagt ja, dass es hier noch ein paar andere stieri Grinde gäbe ;-) Auf dem Weg zum See komm ich noch am Forscherstein vorbei. Natürlich muss ich auch hier wieder einen Zwischenhalt und eine Zusatzschlaufe einlegen wegen… ach ihr wisst schon;-) Ein faszinierender Ort. Zwei auffällige Felsspitzen ragen über die Baumwipfel des steilen Waldes. Scheint ein beliebter Klettergarten zu sein, aber nicht ganz meine Liga mit Routen im 6er und 7er Bereich. Ich bin überrascht, wieviele Wandervögel mir hier plötzlich begegnen. Hier hinten im Tal wuselts nur so. Die meisten schaun eher nach Sonntags- und Genusswanderern aus. Das passt gut in diese Gegend. Mir ists aber schon fast ein bisschen zu viel remi demmi, obwohl mich die Berge rundherum unheimlich anziehen und ich am liebsten die Zeit nochmal auf 8 Uhr Morgens zurückdrehen würde um genug Zeit für eine schöne Wanderung zu haben. Aber ist nicht. Die Sonne steht schon ziemlich flach und die Strahlen schaffens kaum mehr bis zum Talboden.
baergli
Aus reinem Gwunder geh ich dann doch noch ein Stückchen weiter Richtung Seealpsee, glaube aber kaum was ich hier sehe. Hunderte Autos sind hier geparkt. Familien mit Kindern und Grosseltern, Wandervögel und Ausflügler in unpassendem Outfit strömen mir entgegen. Man hat das Gefühl, dass vor ein paar Minuten ein Event im Tal zu Ende gegangen sei und nun alle zu ihren Autos strömen. Das Bähnchen auf die Ebnialp fährt nonstop und spuckt auch nochmal Menschen aus, die zum Parkplatz oder dem kleinen Bahnhof laufen. Ich fahr noch ein paar Meter ins Tal hinauf, lass es dann aber bleiben, weils einfach zu spät ist und frage dann verwundert einen Mann der mir entgegen kommt, obs dort oben heute was Gratis gegeben habe, oder ein Fest sei. Er meinte: «Nö, ist an schönen Tagen hier einfach so.» Autsch! Aktion Seealpsee somit für mich gestorben. Obwohl ich mir den sicher mal auf einer Wanderung anschauen werde, aber dann wohl morgens früh, oder abends spät, sonst ists ja kaum auszuhalten. Ich hasse diese überlaufenen «lauschigen Orte» in den Bergen, die von den Unterländern gestürmt werden und dann Abends alle ganz stolz zuhause erzählen, wie schön es in dieser unberührten und intakten Natur doch sei. Umpf…

So, genug geschwärmt. Ok, Seealp-Menschenauflauf ausgenommen. Meine nächsten Ferien verbringe ich im Appenzellerland. Nehm mein Bike und die Wanderschuhe mit und erklimme jeden Hügel der da so rumsteht – ist ja ne überschaubare Zahl an Gipfeln. Werd mir dann auch ein lecker Abendessen bei Käthi Fässler, Köchin des Jahres 08/09, im Hotel Weissbad gönnen und dort gleich nächtigen, oder auch nebenan im Belvedere. Vielleicht schmeiss ich auch den ganzen Bettel hin und zügle ins Appezöll. Bis anhin fand ich den Dialekt ziemlich schräg, aber eigentlich ist er ja furchtbar schön und urtümmlich. Ich komme wieder, ganz bestimmt!