Pierres Blog

Was mich bewegt, interessiert und mir Spass macht …

Sansibar – Tag 5 – 30. Dezember 2014

Die Tage rauschen vorbei. Schon funktioniert der Spruch nicht mehr: «Ja, ja, wir haben noch vier Wochen Zeit», aber ich bin schon so gut hier angekommen und runtergefahren, dass ich die Schweiz und den Alltag gaaaaaanz weit hinter mir gelassen habe. Trotz Internetzugang, der ganz passabel läuft, interessieren mich die News aus der Heimat kaum. Ich hoffe einzig, dass vom richtigen Winter noch ein bisschen was übrig bleibt, wenn ich wieder zurück bin. Aber back ins Schwitzeland, hier tanzt im Moment der Bär, bzw. die Fliegen und die Schweisstropfen und nicht die Schneeflöckchen.

Ohne Wecker zu erwachen ist fantastisch. Noch fantastischer ist es, wenn das morgens um acht passiert und auch wenn ich mir einen kleine Ruck geben muss, ich dann auch aufstehe. Draussen ist noch herrlich «frisch» und so geb ich mir gleich nochmal einen Schubser, hole die Joggingschuhe hervor und laufe hinunter zum Waves um eine Runde zu joggen. Es ist halb oder viertel vor Neun, als ich loslaufe. Ein steifer Gegenwind bläst mir entgegen, was die Lauferei etwas erschwert, aber das ganz sehr erträglich erscheinen lässt. Es läuft sich wunderbar im festen Sand neben der Brandung und nachdem der erste wilde Puls wieder etwas runterkommt, bin ich schon bei der Turtlestation und finde, dass ich schon noch ein Stückchen weiter kann, also um die Kneipe rum irgend einem Pfad folgend weiter. Ich komme am «Opera House» von Nungwi vorbei, einer Hotelanlage mit einem gestaffelten riesigen Dach, dass mich an das weltberühmte Gebäude in Sydney erinnert. Kaum ist man weg vom Wasser, wird es brütend heiss, der Wind wird auch von irgendwas verschluckt und die Sonne brennt unerbittlich. So kehre ich dann auf einer kleinen Anhöhe um. Ich bin froh, als ich wieder am Strand bin, aber erstens bin ich grad nicht wahnsinnig fit und die Begingungen hier, sind auch nicht die gleichen, wie bei meinen letzten Joggingrunden in Zürich. Den letzen halben Kilometer leg ich dann laufend zurück, weil ich mich matt fühle und lass den Saft laufen. Zurück erwartet mich ein feines Frühstück. Barbara hat Pancakes gemacht, genau das richtige.

Während ich weg war, haben die Frauen mit den Handwerkern noch den Deal für ihren neuen Tisch abgeschlossen und die Handwerker karren kurze Zeit später das Baumaterial an und beginnen mit der Arbeit. Ich staune wie schnell hier alles organisiert ist. Es ging eine gute Stunde nachdem sich Barbara und Malou mit den Handwerker besprochen hatten, bis es am Tor klopft und die Männer mit grossen Bretter für die Schalung, Säcken mit Kies und Sand und Zement da stehen. Maschinen haben sie nicht dabei. Ein Fuchsschwanz, um die Schalungsbretter zurechtzusägen, eine Eisensäge für die Armierungseisen, Hammer, Nägel und Wasserwage genugen hier. Der Schreiner, Ali Shehar, der alles organisiert hat und das Projekt leitet, bringt Simai mit, ein kleines hageres Männchen, dass die Maurerarbeiten erledigt. Der eine beginnt irgendwelche grossen, bedruckte und gebrauchte Holzbretter zu zersägen, die später als Schalungsbretter gebraucht werden, der Kleine sägt die Armierungseisen auf die richtige Länge zurecht. Zwei Löcher fürs Fundament werden ausgehoben und ausgegossen und nach und nach werden die Schalungen zusammengenagelt, aufgestellt und auch ausgegossen. Abends gegen fünf Uhr steht der Tisch bereits. Morgen werden dann noch die beiden Bänke «gegossen». Immer wieder kommen Tagelöhner herein, oder klopfen ans Tor, weil sie die Sägen oder das Nageln hören und dadurch wissen, dass hier was gebaut wird. Sie fragen nach Arbeit und so wird ein Taglöhner kurzerhand angestellt, der fürs Betonmischen und herumtragen benötigt wird. Das Zement wird auf dem Nachbargrundstück angemacht und gegen Abend sieht dieser Arbeiter ziemlich «versaut» aus. Staubig und verkleckert von Zement und Staub. Für uns wirkt das alles schon wieder exotisch: Man hört keine Maschine, keine Aku-Stichsäge, kein Trennschleifer, um die Eisenstangen zu zersägen, nur Fuchsschwanz und Eisensäge. Geht zwar etwas länger, passt aber am Ende genauso zusammen. In der Schweiz würde wohl kein Handwerker mehr diese «Strapazen» auf sich nehmen.

Als die Männer ihre Tagesarbeit verrichtet hatten, machen wir uns auf eine kleine Dorfrunde. Ich kenne inzwischen die wichtigsten Strässchen, die mich zum Strand, zum Likour Store oder zur Dala Dala Station führen, aber den Dorfplatz hab ich noch nie gesehen und die schmalen Pfade neben den Hauptwegen bin ich auch noch nicht gelaufen. Malou braucht noch ein Sieb, also gehts zurerst mal zum «Sibler» von Nungwi. Hier gibts «alles» für den Haushalt. Ich wünsche mir wieder Tante Emma Lädchen zurück, oder die klassischen Eisenwarenhandlungen, wos vorne im Ladenlokal die schicken Sachen für die Küche und den Haushalt gab und in den hinteren Räumen, Schräubchen, Nägel und Werkzeug. Es ist einfach ein anderes Einkaufserlebnis als durch 20’000 m2 grosse Baumärkte zu wandern. Das Sieb das Malou kauft, kostet 2000 Schilling, das ist ein guter Franken. Barbara fällt dann noch ein, dass sie noch eine Schüssel braucht und so schauen wir ein paar Meter nebendran in ein andere Hauswarengeschäft, wo sie für dasselbe Geld das gesuchte findet. Das nötigste hängt an den Wänden oder ist in dem kleinen Raum gestapelt. Mir springen Ausstechformen aus Aludosenblech auf, die noch die Aufdrucke drauf haben. Sie wirken zwar filigran aber erfüllen ihren Zweck. Am Boden stehen noch kleine Grills, die auch aus irgendwelchen Alteisenteilen zusammengeschweisst sind. Wahre Kunsthandwerke. Mal schaun, ob ich auf der Heimreise noch genügend Platz im Koffer habe ;-)

Ich trage in meiner Tasche noch einen Bündel mit Schulheften herum, die wir Ibrahim vorbeibringen wollen. Ein Kind aus dem Maisha Zanzibar Riziki-Projekt, wo meine Freundinnen Patenschaften vermitteln, um Kindern die Schule zu ermöglichen. Dazu gehört, dass die Kinder jährlich drei Schuluniformen bekommen und das Schulmaterial finanziert wird. Barbara führt uns ganz in die Nähe des Hauses, aber da wir nicht sicher sind, wo Ibrahim zuhause ist, fragen wir einen Jungen, dem wir begegnen. Der führt uns dann zum Haus. Die Türe ist nicht verschlossen, es scheint aber niemand zuhause zu sein. So spazieren wir weiter zum Felsen, wo ich mir meinen ersten Afrikanischen Cache krallen kann. Yeahh… ich freu mich schon, wenn auf meiner Länderkarte ein Fitzelchen Afrika eingefärbt ist ;-) Tja, auch diese Freude lass ich mir hier nicht nehmen. Heute hat sich vor dem Felsen auch keine Familie mehr eingenistet und schnell kann ich Barbaras Döschen greifen. Vor dem Cache an der Nordspitze Sansibars liegt ein flacher Korallenfelsen, auf dem man bei Ebbe wunderbar herumlaufen kann. Ich möchte natürlich einen ersten Augenschein nehmen. Schon in meinen Australienferien haben mich solche Orte fasziniert. Fantastisch, was man hier in den Pfützen und Wasserlöchern alles entdeckt. Zuerst fallen mir ein paar ganz feingliedrige Seesterne auf, oder kleine «Quellen» aus denen von irgendwoher Wasser heraussprudelt. Etwas weiter wate ich durch knöcheltiefes Wasser und entdecke «gefüllte Pariser». Ganz eigenartiges Getier, das an einem Ende in einem Sandloch steckt uns sich mit den Wellen bewegt und ziemlich hässlich ausschaut. Vielleicht kann mir King erklären, was das für Tierchen sind. Beim zurücklaufen fallen mir dann noch klitzekleine Schwarze Dinger auf, die im nichts verschwinden, sobald man sich nähert. Eine faszinierende Welt, von der wir so gar nichts verstehen. Wir genehmigen uns noch ein erfrischendes Soda und spazieren dann dem Strand entlang zurück.

Hier oben am Strand tummeln sich die Einheimischen. Viele spielen am Strand Fussball. Die Grossen weiter unten am Wasser, die kleinen im etwas tieferen Sand. Die einen mit normalen Bällen, ein paar Kids spielen mit zu einem Ball zusammengekringelten Stoffresten. Gestern bauten sich ein paar Kids an einer kleinen Sandkante ein Trampolin aus einem alten Autoreifen, auf den sie springen und als Sprungfeder nutzen und Saltos machen. Immer wieder sieht man auch Kids die Räder schlagen, Überschläge üben oder sonstige akrobatische Bodenturnübungen machen. Viele kleine Jungs haben sich kleine Fallschirme aus dünnen Plastiktütchen gebaut, die sie an ein paar Ecken mit Schnüren zusammenbinden und die im starken Wind an der Schnur wie ein Drachen in der Luft tanzen. Ein Junge rennt einem gelben gebastelten Plastikwägelchen mit einer Schiebestange hinterher, ein anderer spielt mit einem alten Fahradreifen. Herrlich! Als wir die Stelle der Bootbauer passieren, rennt plötzlich ein Junge auf uns zu: Es ist Ibrahim. Irgenwoher hat er wohl vernommen, dass Barbara und Malou ihn gesucht hatten. Vielleicht hat er uns gesucht, vielleicht wars auch Zufall. Auf jeden Fall freut er sich sehr, dass er uns gefunden hat und gibt uns zu verstehen, dass wir mitkommen sollen. Barbara und Malou verstehen inzwischen recht gut Swaheli und können sich mit Händen und Füssen auch mit den Einheimischen verständigen. Wir werden dann freudig ins Haus gebeten. Es ist ziemlich dunkel und in einem engen Gang werden uns Matten hingelegt. Ibrahims Mutter ist vor zwei Monaten Mutter eines herzigen Bübleins geworden. Wir drängen uns in den engen Gang und setzen uns. Ibrahim nimmt seiner Mutter stolz sein Brüderchen ab und wiegt es in seinen Armen, ich sitze mal wieder verdattert und sprachlos neben meinen Mädels. Barbara und Malou haben noch Geschenke für den Buben mitgebracht, denn Rahel, Barbaras Schwester ist die Patin von ihm und sie wusste, dass er sich Fussballschuhe und eine Baseballmütze wünscht. Barbara übergibt ihm das Päckchen, er traut sich aber nicht richtig reinzuschauen. Die Mädchen versuchen ein paar Worte mit der Mutter zu wechseln und natürlich sind auch wir gwundrig, wie der Bube auf seine Geschenke reagiert und so hilft Malou ihm und setzt ihm die zu grosse Baseballmütze auf. Ich muss schmunzeln. Danach traut er sich aber und mit glänzenden Augen die beiden gebrauchten Fussballschuhe aus der Tasche, die Rahels Kindern zu klein geworden sind. Ich stelle mir vor, wie er mit den knallgelben Schuhen und seinen ausgelatschten T-Shirts und Shorts wohl die Bewunderung seiner Spielkameraden auf sich ziehen wird und stolz darauf ist. Viel mehr vom Haus, ober besser Hüttchens sehe ich nicht. Barbara erklärte mir, dass die meisten Hüttchen ähnlich aufgebaut sind. Ein kleiner schmaler Gang, hinten zwei Zimmerchen wo geschlafen oder bei Regen gekocht wird. Grade überlege ich mir wieder, was für Klimbim wir bei uns alles brauchen um «glücklich» zu sein. Super LCD TV, um sich irgendwelchen Trash reinzuziehen… Da schliesse ich natürlich die tägliche Ration «verbotene Liebe aus». Das ist definitv wichtig für ein gutes Leben ;-) Grosse Zimmer, wo im besten Fall zwei Menschen drin schlafen können, unglaubliche Quadratmeter ums gemütlich zu haben, eine Küche mit «Mengenen» von Gerät und Karsumpel, PC, Stereoanlage, Computer in fester Variante, oder im Handtäschen- und dann natürlich auch noch im Hosensackformat. Wenn ich das nächste Mal umziehe, werd ich mich mal wieder an Afrika erinnern, oder wenn ich mich frage, was ich noch alles erreichen muss oder will, ob es das auch wirklich alles braucht. Naja, auch mich wird dann wohl unser Schweizer Alltag schneller als erwartet wieder einnehmen.

Nach ein paar Minuten Gastfreundschaft und einem Foto von Ibrahim, für Rahel, machen wir uns auf den Heimweg. In der Türe stehen bestimmt 4 oder 5 Kinder, die ins Haus starren, um mitzubekommen, was hier gerade passiert. Wir spazieren durchs Dörfchen nach Hause, sammeln Riziki unterwegs noch ein und machen uns nach einer kurzen Pause bald wieder auf den Weg zum Abendessen. Heute gehts ins Waves. Tischchen am Strand, wie gehabt. Auf jedem steht ein Windlicht, das gerade genügend Licht spendet, damit man die Karte lesen kann. Rose, die Kellnerin, die Barbara und Malou natürlich kennen, begrüsst die beiden stürmisch. Ich bekomme von den Meisten dann auch noch eine herzliche Umarung. Es ist immer noch windig und fast schon kühl. Es scheint, als hätte ich mich bereits an die Hitze gewöhnt, aber kühl ist sehr relativ und definiert sich in dem Fall wie folgt: Zwei oder drei Grad kühler oder noch etwas mehr Wind und man könnte sich überlegen ein T-Shirt aus etwas dickerem Stoff, oder vielleicht ein Shirt mit langen Ärmeln anzuziehen. Riziki ist auch wieder dabei, verdrückt ihren Burger ratzeputz und wir restlichen Drei geniessen ein wunderbares Shrimps-Curry.

Eigentlich dachte ich, als ich heute zu schreiben begann, dass dieser Tag nicht mehr ganz so ereignisreich war, aber wenn ich die geschriebenen Zeilen zähle, war dem wohl nicht so. So wünsche ich der Insel und Nungwi eine gute Nacht und der Welt zuhause genauso.