Pierres Blog

Was mich bewegt, interessiert und mir Spass macht …

Sansibar – Tag 4 – 29. Dezember 2014

Es wäre anmassend zu behaupten, dass ich mich schon nach drei Tagen an Afrika gewöhnt hätte. Es prasselt immer noch so viel auf mich ein, dass mich einfach staunen lässt. Zwei Dinge beginne ich langsam zu begreifen, die nicht ganz so sind, wie ich mir das vorgestellt hatte. Zum einen fühle ich mich hier viel sicherer, als ich das zuerst gedacht hatte. Da zählt sicher meine Unerfahrenheit und Unwissenheit mit Drittweltländern und im speziellen Afrika dazu. Die Lebensgwohnheiten eines Europäers oder Schweizers sind dermassen weit weg von dem was hier passiert, das ist kaum vorstellbar. Natürlich ist man hier in Nungwi als Weisser kein Exot mehr. Die vielen Hotelanlagen und Bungalows spülen ja eine ganze Menge Weisser in diese Gegend. Aber hier im Dorf, wo Barbara und Malou ihre Häuser haben, scheint mir das Leben sehr authentisch zu sein. Ich empfinde es nicht als eine schreiende Armut, obwohl das vielleicht etwas eigenartig klingen mag. Vielleicht habe ich aber auch noch ein falsches Bild, weil man nicht wirkliches Elend sieht, obwohl die meisten Menschen hier arm sind und in Verhältnissen wohnen, die wir uns kaum vorstellen können. Trotz allem erweckt das Leben hier auf mich den Eindruck, dass man hier «überleben» kann. Fast jeder scheint irgend ein Einkommen oder Jöbchen zu haben, dass ihn zumindest nicht hungern lässt. Vielleicht sehe ich das im Moment noch falsch. Barbara und Malou engagieren sich ja auch nicht ohne Grund hier für die Menschen. Familien die kein Geld haben, um ihre Kinder in die Schule zu schicken, oder das Geld fehlt, um ein an Malaria erkranktes Kind zum Arzt zu bringen, oder sich ausgewogen ernähren können. Auf jeden Fall fühlte ich mich bisher nie unwohl. Man spaziert durch die staubigen Strassen, die von Hüttchen gesäumt sind, in denen überall gewerkelt wird, oder irgend etwas verkauft wird. Alle Menschen hier sind so offen und sehr freundlich, wenn man irgendwo um Hilfe fragt, wird einem geholfen, so gut es geht, oder es die Sprachbarrieren erlauben.

Das andere, dass ich mir etwas anders vorgestellt hatte, war, dass ich mir die Insel touristischer und etwas herausgeputzer vorgestellt hatte. Aber sowas bitte ich mir als erstmaliger Afrikatourist noch erlauben zu dürfen. Ich wurde ja bis anhin immer mit traumhaften Strandbildern, hübschen Afrikamotiven und den schönen Häusern meiner Gastgeber «gefüttert». Es enttäuscht mich aber in keiner Weise, dass es nicht ganz so ist, wie ich mir das vorgestellt hatte, im Gegenteil, ich bin gefesselt, von alldem was ich hier sehe und erlebe.

Der heutige Tag stand ganz im Zeichen der Containerüberführung, bzw. Auslösung der Hilfsgüter in Stone Town. Dies könnte wieder eine etwas längere Geschichte werden ;-) Morgens, pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk, steht unser Fahrer Abra vor dem Tor. King und Risiki begleiten uns. Zuerst fahren wir nach Stone Town zur Barclays Bank, um Geld zu holen. Ich hab zwar noch einen Bündel zuhause, möchte aber probieren, ob ich mit meiner Schweizer EC-Karte wirklich Geld abheben kann, was natürlich prompt nicht geht. Im Moment herrscht deswegen noch keine Panik, wir werden es noch bei der NBC probieren. Wenn das dann auch nicht klappt, werd ich wohl die Kreditkarte quälen müssen, oder mal mit der ZKB Kontakt aufnehmen.

Danach gings weiter zum Finanzministerium, wo Barbara und Malou Papiere abstempeln lassen müssen, um ihren Container steuerfrei einführen lassen zu können. Gespannt watschle ich den Damen hinterher, die routiniert ihrem Geschäft nachgehen und in den zweiten Stock geschickt werden. Im Microbüro verschwindet Patima hinter ihrem Schreibtisch mit mannshohem Aufbau. Ich stehe in der Türe und sehe von ihr nichts mehr. Um Blickkontakt zu haben, müsste man sich bücken um zwischen dem Gestell und dem Montior einen Blick auf sie erhaschen zu können. Sie blättert durch all die Dokumente, die ihr Barbara gegeben hat und meint dann, dass wir erst einen Agenten bräuchten, der die Fracht am Hafen für uns auslöst und seinerseits wieder ein Papier bringen müsse, welches die Unterlagen erst komplettiere. So ziehen wir wieder ab, die Mädels immer noch sehr guter Dinge, weil der Anfang so rund lief wie selten. Abra kennt natürlcih jemand, der kurz angerufen wird und ein paar Minuten später treffen wir einen Agenten, der uns gerne weiter hilft. Wir zotteln vereint dem Mann hinterher. Wieder ein Microbüro, wo von ihm die Unterlagen angeschaut werden. Der Deal steht, wir verabreden uns mit ihm in einem nahegelegenen Restaurant, weil er meint, dass wir nicht hier im Büro auf ihn warten bräuchten und er uns die Unterlagen rüber bringt, bevor wir unsere Fruchtsäfte leer haben. Wir also los, ins Resti rein, Drinks bestellt, getrunken und gewartet. Riziki wirds inzwischen etwas langweilig und ich gehe mit ihr dann nach einer gefühlten Stunde mal ein paar Apérohäppchen aus der Auslage holen. Reisbällchen, Meatballs und noch irgendwelche andere gefüllten Kügelchen, die lecker schmecken. Irgendwann taucht dann Sefu, der Agent doch noch auf, präsentiert Barbara das Papier, dass aber einen viel zu hohen Materialwert der einzuführenden Hilfsgüter aufweist. Um dieses Maleur aber sauber zu fixen, brauchen wir die originale Packliste, die natürlich nur in einer Kopie noch bei Patima im Ministerium liegt. Also, wieder zurück zu Abram, zum zweiten Mal ins Ministerium gedüst, wo Barbara schnell und problemlos die gewünschte Kopie erhält und zurück zum Treffpunkt. Sefu nimmt die Papiere entgegen und wir vereinbaren den nächsten Treffpunkt in einer guten Stunde. Inzwischen knurren unsere Mägen und wir beschliessen, diese Zeit für ein Mittagessen zu nutzen. Barbara und Malou schlagen vor, dass wir ins Floating Restaurant gehen, eine neue Beiz, die die letzten Jahre nur Baustelle war und auf eine Art Pier, übers Wasser gebaut ist. Touristisch, aber sehr hübsch gemacht mit tollem Essen. Ich bestelle mir ein Fishcurry, was einmal mehr herrlich schmeckt. Barbara und Malou erkennen eine alte Freundin. Eine Holländerin, die früher in Stone Town ein kleines Hotel geführt hat. In einem kurzen Schwatz erklärt sie uns, dass sie das Hotel inzwischen aufgegeben hat, weil die Eigentümer die Pacht so stark angehoben hatten, dass sie unter diesen Umständen nicht mehr weitermachen konnte und auch wollte. Als wir noch aufs Essen warten, kommt Sefu ins Restaurant und präsentiert das Papier. Er möchte noch mit der Frachtgesellschaft checken, wie und wo die Kisten stehen und düst wieder ab. Nach dem Essen taucht er wieder auf und meint, dass es da noch ein anderes Problem gibt. Er erklärt uns, dass die Kisten noch gar nicht in Sansibar sind, sondern immer noch in Dar im Hafen stehen. Nun wirds langsam kompliziert. Frustration macht sich breit und auch die Freude, die am Morgen noch herrschte, wo alle meinten, dass diesmal alles so glatt abläuft, war nun verflogen. Wie weiter? Sefu meinte, dass man mit den aktuellen Papieren in Dar überhaupt nichts bekommt, dort alles nochmal bei Null anfangen müsse, um die Fracht in Dar auszulösen und dann nach Sansibar zu verschiffen. Die Krux ist aber, dass die Sepditionsfirma deutlich auf ihren Papieren Sansibar als Löschhafen angeben hatte. Natürlich erreichen wir just in diesem Moment den Schweizer Agenten nicht und Ratlosigkeit macht sich breit. Wat nu? Müssen wir nun nach Dar, wo sich auch Barbara und Malou nicht auskennen und ein solches Prozedere, mit allen Wirren auch mal mehrere Tage in Anspruch nehmen kann, oder kann der Schweizer Spditeur weiterhelfen? Im Moment wissen wir gar nichts und wissen auch nicht, wo der Fehler liegt, wer dafür verantwortlich ist und wie man die Geschichte irgendwie ohne weitere Riesenaufwände geregelt bekommt. Mit diesem neuen Wissenstand machen wir uns dann wieder auf den Weg. Wir möchten noch auf den Markt um Gemüse, Obst und ein paar Dinge fürs Haus zu kaufen. Malou braucht noch einen neuen Kochherd, den es ebenfalls dort in den Gassen beim Markt bekommt.

Wir treffen Abra wieder und er fährt uns durch die Stadt, die inzwischen ziemlich verstopft ist. Für mich wieder ein Erlebnis der Extraklasse. Leider hab ich nur die grosse Kamera dabei, wo ich mir zu blöd vorkomme, zwischen all den Schwarzen herumzuknipsen. Links und rechts der Strasse stehen dutzende kleine Stände. Die engen Gassen dahinter sind gespickt mit kleinen Geschäften. Alles ist einigermassen «sortiert». Hier gibts Früchte, um die Ecke Kleider, zwischendrin auch kleine Geschäfte, die Elektrogeräte und auch Kochherde verkaufen…. nur leider nicht in der Grösse, die Malou braucht. Dann gibts noch die Markthalle, wo Früchte, Obst, Gemüse und Gewürze verkauft werden. Ein wunderbarar Ort. King weiss an welchem Stand man Hefte kaufen kann, die die Mädels für ihre Schüler brauchen. Sie kaufen gleich den ganzen Vorrat auf. Ich steh etwas konsterniert, mit grossen Augen herum und bestaune das rege Treiben. Es ist für uns Europäer ein riesen Gewusel. Am Ende weiss King natürlich auch noch wo ich meinen Rechen kaufen kann. Wir laden erst unsere gefüllten Tüten ins Auto und unser Fahrer fährt ein Stückchen weiter die Strasse runter. Hier finden sich dann viele Shops, mit Baumaterial, Stromutensilien und dem ganzen Hardware-Kram. Er parkt vor einem Hüttchen, wo Klos und Wagen herumstehen, Röhrchen für Elektroinstallationen herumhängen und tausend andere Dinge zu kaufen sind. Nägel in Säcken und Schalen, Schräubchen, Birnen, Duschschläuche und und und. Ein Baumarkt auf 8 Quadratmeter. Natürlich finde ich hier auch meinen Rechen :-) Ich hüpfe aus dem Wagen, lass mir das Teil aushändingen, verlange noch einen Stil dazu und freue mich, dass ich nun zuhause den Sand rechen kann. Die Autofahrt zurück nach Nungwi dauert immer ca. eine Stunde. Ich bin müde, nicke kurz mal ein und geniesse die Gegend, die draussen an mir vorbeirauscht.

Viel passiert an diesem Abend nicht mehr. Ich reche noch ein bisschen Sand und reisse ein paar Gräser aus, Malou und Barbara zaubern ein leckeres Essen, während ich noch schnell in den Liquor Store spaziere um einen kühlen Weissen zu holen. Danach setzten wir uns noch draussen auf die Veranda und ich tue, was ich um diese Zeit immer tue… tippseln. Eigentlich dachte ich, dass ich es mal früher ins Bett schaffe, aber inzwischen ist Mitternacht schon wieder durch. Wollte eigentlich noch ein paar Mails an Familie und Freunde verschicken, hoffe, dass ich es morgen noch schaffe. Bitte entschuldigt. Die Geschichten gibts hier zu lesen, der Smalltalk kommt dann per Mail ;-)

Ich stell mich nun gleich nochmal unters Wasser, Spray mein Zimmer mit Nervengift und verkrümel mich unter mein Mosinetz. Gute Nacht Sansibar, gute Nacht Winter in Europa.