Pierres Blog

Was mich bewegt, interessiert und mir Spass macht …

Ausbildungswoche Engadin (Tag 5, Freitag)

Gletscherspalte

Das grosse Finale. Piz Palü, knapp 4000 Meter. Morgens um halb vier stehen wir auf. Beim Frühstück ists meist ziemlich ruhig. Man wacht langsam auf, denkt über den kommenden Tag nach und ist froh, nicht links und rechts viel quatschen zu müssen. Meine Devise heisst eh: Langsam starten …

Keine Lust zum lesen? Hier gibts die Bilder.

Leider wollte Sven nicht mitkommen, weil er sich auf dem Eis nicht richtig wohl fühlte. Schade, aber auch mutig, sich in der Gruppe zu «outen» und stark genug zu sein um auch mal nein zu sagen. Als mich Olav an den Füssen stubst um mich zu wecken bin ich ein ganz kleines Momentchen auf Sven eifersüchtig, weil er natürlich noch nicht aus den Federn muss. Dafür steht uns ein grosses Abenteuer bevor. Ich empfinde es auf jeden Fall so. Ich denke niemand aus unserem Grüppchen nimmt diese Tour so easy hin. Alle sind etwas nervös und gespannt was sie erwartet. Arno Cajöri, ein zweiter Bergführer ist gestern Abend noch hochgekommen um die zweite Seilschaft zu führen.

Wir starten also fast pünktlich um kurz nach halb 5. Es dämmert gerade. Eine gute Stunde gehts über Stock und Stein, Schneefelder und Geröllhalden bis zum Gletscher. Langsam fühlen wir uns wohl. Mein stechender Schmerz am Knöchel ist heute zum ersten Mal erträglich und nicht mehr sehr störend. Was bin ich froh. Schon richtig routiniert legen wir den Klettergurt an. Das Gnuusch mit verdrehten Beinen oder Bändeln hat man langsam im Griff. Der gesteckte Achter bietet keinerlei Probleme mehr, sogar das Seilverkürzen funktioniert ohne weiteres … bis auf den verdammten Spirenstich, den ich einmal hinkriege beim nächsten Mal wieder an der letzten Schleife verzweifle. Die Verhältnisse auf dem Gletscher sind leicht besser als vor zwei Tagen, aber auch hier sinken wir immer wieder tief ein. Nach gut 3 Stunden erreichen wir den Schnapsboden. Wir haben schon eine grosse Fläche traversiert und sind durch einen ersten Eisabbruch durch. Nun kommt endlich die Sonne hinter dem Berg hervor und man ist wieder im Clinch, Jacke an oder aus. Der Wechsel zwischen Hitze und schwitzen im Aufstieg zu eisiger Kälte und Wind passiert hier oben so schnell. Kurzes Päuschen zum pinkeln und Teetrinken und weiter gehts. Noch ein Blick zurück in die schon weit zurückliegende Diavolezza. Je nach Verhältnissen laufen wir am kurzen oder langen Seil. Extrem steile Stücke wechseln mit wieder angenehmeren Steigungen ab. In den grossen Abbrüchen führt die Route kreuz und quer durch den Gletscher und ändert sich auch ständig. Eine grosse Spalte ist dank einem Bretterrost direkt überquerbar. Werner meint, dass die nicht mehr lange lange genug ist *lach*! Die Luft auf über 3500 Metern ist schon recht dünn, aber wir passen das Tempo den Verhältnissen an.

Zwischen grossen Eisschollen sacke ich mal wieder ab und mein Vorderbein säuft bis über den Oberschenkel ein. Mühsam versuche ich mich rauszuhebeln, mit dem Erfolg, dass ich mit dem anderen Bein genauso tief einbreche und da staun ich net schlecht, als ich plötzlich merke, dass ich meine Füsse im Loch baumeln lassen kann. Da wird man dann doch mal nervös und ich fordere Martin vor mir ziemlich forsch auf, doch bitte das Seil zu spannen. Aber alles geht gut. Die Brücke hält, ich puhle mich aus dem Schnee und wir laufen bis unter den Ostgrat des Ostgipfels. Dort deponieren wir unsere Rucksäcke und nehmen nur noch nen Apfel und was kleines zum Essen mit. Leider spielt das Wetter nicht mit und Bernina und Palü hüllen sich oben in Wolken. Der Schnee ist auch hier oben schon komplett durchweicht. Wir steigen über eine unten eisige, weiter oben teils mit viel Nassschnee bedeckte Eiswand zum Grat hoch. Es war ganz gut, dass wir das gestern auf dem Morteratsch ein bisschen geübt haben. Ich fühle mich eigentlich recht sicher. Nur rumgucken geht bei solchen Touren nimmer. Wenn man sich nicht total auf seine Schritte konzentriert verliert man schnell mal das Gleichgewicht und des muss hier oben an solch ausgesetzten Stellen wirklich nicht sein. Wenn man kurz rumgucken will muss man erst einen guten Stand haben. Aber in einer 3er-Seilschaft kann man auch nicht die ganze Zeit seine Kameraden anhalten. Konzentriert sein, auf den Boden schauen und sich auf die Füsse fixieren ist hier oben so wichtig. Die letzten Meter hoch zum Gipfel führen über den verschneiten Grat. Herrlich, das macht Spass und es ist unheimlich eindrücklich.

Oben gratuliert man sich dann. Nicht nur wir, auch die anderen Leuts die unterwegs sind tun das. Aha, hab ich net gewusst. Zuerst dachte ich das machen nur wir Greenhorns. Leider gehen wir nicht mehr weiter zum Hauptgipfel. Arno und Werner meinen dass die Verhältnisse für den Abstieg immer schlechter werden und wir nicht zu viel Zeit hier oben verbringen, sondern eher wieder zurück in die Diavolezza gehen sollten. Schade, schade. Wir stimmen natürlich zu, aber es juckt uns doch alle ziemlich. Und natürlich ärgern wir uns auch, dass wir die Aussicht nicht geniessen können, da die Bergspitzen immer noch in den Wolken liegen. Also: Same way back. Bis zum Rucksacklager ist die Route sehr steil und exponiert. Wir versuchen das gestern gelernte umzusetzen und haken unsere Eisen richtig fest ins Eis. Werner lässt mich und Martin vorwärts am kurzen Seil absteigen. Arno ist etwas vorsichtiger und Cécile und Olav nehmen Teile der Strecke mit Eisschrauben gesichert und rückwärtsabsteigend in Angriff. Der übrige Abstieg zurück zur Diavolezza verläuft reibungslos und die Verhältnisse sind besser als erwartet. Ziemlich müde, aber happy geniessen wir den wunderschönen Sommertag draussen auf der Terasse der Diavolezza-Bergstation und können uns an der imposanten Kulisse nicht sattsehen.

Der krönende Abschluss war beim Nachtessen erst mal ne gute Flasche Wein, mit der wir unsere eigene Leistung belohnten und das Spiel der Schweizer Nati auf Grossleinwand. So geht das Malloni!